Josef Holub: Bonifaz und der Räuber Knapp

"Normalerweise ist auf unserer Erde alles recht ordentlich durchdacht und eingerichtet.
Allerdings gibt es auch hin und wieder Murks."

Und „Murks“ gibt es reichlich in diesem gottverlassenen Graab im hintersten Schwabenwald, in das es den Waisenjungen Bonifaz im Jahre 1867 verschlägt. Sein Onkel, der Schultheiß des Dorfes, erscheint streng und unnahbar, der Lehrer der Dorfschule schikaniert seine Schüler, und so engstirnig ist die Atmosphäre im Ort, dass ein Fremder, der am Sonntag am Marktplatz singt, als "Sonntagsentheiliger" im Gefängnis landet. Aber die Wirtschafterin von Bonifaz’ Onkel hat nicht nur eine "blecherne Kochtopfdeckelstimme", sondern auch ein großes Herz. Und gegen den Willen seines Vormunds findet der Junge  Bonifaz in Christian, dem Sohn des vermeintlichen Räubers Knapp, einen Freund.
Ich liebe die Sprache von Josef Holub, diesen ganz eigenen Holub-Ton voller hintergründigem Humor und sanfter Ironie; es ist wunderbar zu lesen, wie die Aufrichtigkeit und das Gerechtigkeitsgefühl des Bonifaz das Herz seines Vormunds erweichen und die starren Strukturen des Dorfes brüchig werden, bis zuletzt selbst der sadistische Lehrer gehen muss und die falschen Anschuldigungen gegen den Vater des Freundes aufgeklärt werden.

Das klingt fast schon nach einer Idylle, aber Josef Holub (der 2010 in der Nähe von Stuttgart verstorbene Autor ist 1927 im Böhmerwald geboren; erst 1992 hat er mit „Der rote Nepomuk“ debütiert) hat keine kuschelweiche Wohlfühlgeschichte geschrieben, dazu ist er in der Schilderung der Armut und Ungerechtigkeit des damaligen Dorflebens zu genau. Und doch erzählt dieses Buch von Glück und Geborgenheit. Beim Wieder- und Wiederlesen des „Bonifaz“ lese ich stets zuerst meine Lieblingsszene am Ende des Buches. Sie macht mich froh. Dann beginne ich von vorne und mache mich voller Vorfreude auf die Reise nach Graab.

Barbara Burkhardt


Cover

Josef Holub: Bonifaz und der Räuber Knapp

Weinheim: Beltz & Gelberg 1996, 241 S., vergriffen