Paulus Hochgatterer: Wildwasser

Prallwasser

Flucht aus einem Frauenhaushalt, Vater- oder Ichsuche? Jedenfalls ist es eine Radtour der Extreme, die der 16-jährige Jakob Schmalfuß unternimmt. Im Gepäck neben diversen Energydrinks, Süßigkeiten und einer Mischung „Spezialpulver“: das Paddel seines beim Wildwasserfahren verunglückten Vaters. Erschöpft von körperlichen Strapazen und Drogenrausch gelangt Jakob schließlich in die Obhut eines seltsamen Trios – bestehend aus einem Priester, dessen Mutter und deren autistischer Ziehtochter – und findet bei ihnen Erlösung für sich und das tote „Vaterphantom“.

„Wildwasser“ ist fesselnde und humorvolle Roadfiction und zugleich ein äußerst dichter Text in Bezug auf Themen und Motivik. Jakobs Fahrradtour ins Gesäuse wird zur Pilgerreise, schließlich zum Requiem für den Helden-Vater (die Kapitelüberschriften sind Zitate aus der lateinischen Totenmesse). Paulus Hochgatterer beweist Gespür für die Darstellung der jugendlichen Lebenswelt. Der Alltag des Protagonisten ist dominiert von oberflächlicher und oft ironischer Kommunikation, Charthits und Marken der 1990er wie Diesel oder Levi’s (Ich kenne überhaupt niemanden, dem die 501er wirklich passt.).
Am meisten beeindruckt mich jedoch jedes Mal erneut die Sprachgewalt, mit der Hochgatterer wilde Kajakfahrten oder rasante Abfahrten mit dem Mountainbike zu einem Gänsehauterlebnis werden lässt – und das selbst oder gerade für eine dem (Extrem-) Sport eher abgeneigte Leserin wie mich.

Verena Weigl


Cover

Paulus Hochgatterer: Wildwasser

Wien: Deuticke 1997, 112 S., lieferbar