
Chen Jianghong: Han Gan und das Wunderpferd
Wer wie ich ein Faible für asiatische Kunst hat, kommt an diesem Bilderbuch des chinesischen Künstlers Chen Jianhong nicht vorbei. Dabei nutzt der heute in Paris lebende Illustrator das historische, über tausend Jahre alte Seidenbild „Pferde und Reitknechte“ des Tiermalers Han Gan aus der Zeit der Tang-Dynastie als Ausgangspunkt, um die sagenhafte Geschichte vom kaiserlichen Hofmaler, der am liebsten Pferde malt, zu erzählen. So groß ist Han Gans Kunst, so lebendig seine gemalten Tiere, dass ein berühmter Krieger ein Pferd in Auftrag gibt – das feurigste und stärkste Schlachtross – um damit in den Krieg zu ziehen. Und wirklich entspringt aus einer in das Feuer geworfenen Zeichnung ein gewaltiges Pferd, durch das der Kämpfer sich für einige Zeit unbesiegbar wähnt.
Chen Jianghong malt mit Tusche und Farbe auf beige grundierter Seide, die Illustrationen erstrecken sich über eine ganze Doppelseite und da das Bilderbuch im Querformat vorliegt, ergeben sich langgestreckte Bilder – gleichsam ein unbegrenzter Raum, bei dem die Übergänge zwischen Drinnen und Draußen, Realität und Fantasie, Heute und Morgen fließend sind. Beeindruckend in ihrer Lebendigkeit ist jene Doppelseite, in der das Wunderpferd viermal, immer in verschiedenen Bewegungsstadien abgebildet, von links nach rechts galoppiert, um sich zuletzt in der rechten Ecke mitsamt Reiter aufzubäumen.
Aber der Zauber hält nicht an und das ist gut so. Die Kunst des Malers und der Wille des Kriegers mögen das Pferd in die Welt und auf die Schlachtfelder gezwungen haben, aber zuletzt kehrt es in ein Gemälde zurück – zu seiner eigentlichen und einzigen Bestimmung: Kunst zu sein und niemandem dienstbar.

Chen Jianghong: Han Gan und das Wunderpferd (Originaltitel: Le cheval magique de Han Gan)
Frankfurt: Moritz 2004 | 40 S., lieferbar