Dolf Verroen: Wie schön weiß ich bin

„Geschichte ist etwas, das man behalten und erinnern soll.“ schreibt der Autor Dolf Verroen im Nachwort zu seinem neuesten Buch „Wie schön weiß ich bin“. Und trägt das Seine dazu bei, dass ein besonders dunkles Kapitel der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.

Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Wuppertal: Peter Hammer 2005


„Geschichte ist etwas, das man behalten und erinnern soll.“ schreibt der Autor Dolf Verroen im Nachwort zu seinem neuesten Buch „Wie schön weiß ich bin“. Und trägt das Seine dazu bei, dass ein besonders dunkles Kapitel der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.

Gerade zwölf Jahre alt ist sie, die Ich – Erzählerin Maria, Tochter eines reichen Großgrund-besitzers in Surinam, der kleinen niederländischen Kolonie in Südamerika Anfang des 18.Jahrhunderts. Zum Geburtstag bekommt sie ihren ersten eigenen Sklaven – beim Fest serviert in der größten Terrine, die der Haushalt zu bieten hat. Mit dazugehöriger Peitsche. So wie es sich gehört in einer Gesellschaft, die sich selbst für höchst kultiviert hält. Sklaven sind Leibeigene. Junge Frauen Freiwild für ihre geilen Besitzer. Für Marias Vater genauso wie für den Mann, den sie heiraten soll. Der seine Sklavin geschwängert hat – worüber sich Maria nur aus verletztem Stolz empört. „So ist das Leben“, lautet der lakonische Kommentar ihrer Mutter dazu. Sie hat sich still leidend ja auch mit der Vorliebe ihres Mannes für schöne Sklavinnen abgefunden.

Verroen gibt in diesem überschaubaren, aus kurzen und kürzesten Sätzen gebauten Buch keinerlei auktoriale Kommentare ab. Die braucht es hier nicht. Die stumpfe Gewalttätigkeit des jungen Mädchens, die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Herrschaftsverhältnisse lebt und die Unterdrückung und Erniedrigung der afrikanischen Menschen unhinterfragt perpetuiert - das alles spricht für sich. In der extremen Reduziertheit des Textes liegt eine große sprachliche Präzision. Schlichte Bilder bringen die Dinge auf den Punkt:

„Die Sklaven haben getanzt und gesungen. Ich sah auf einmal, wie schwarz sie sind, wie schön weiß ich bin.“

Cover
Die Wahl der Täterperspektive kann von Autoren mitunter dazu verwendet werden, Motive, Gründe oder Hintergründe für ein bestimmtes Verhalten aufzeigen zu wollen. Das ist Verroens Sache nicht. Er hat den Blickwinkel der fast noch kindlichen Erzählerin gewählt, um die menschenverachtende Grausamkeit dieser Gesellschaftsstrukur umso stärker hervorzuheben. Diese Kindheit lässt sich nicht mit Begriffen wie „Unschuld“ assoziieren.

Es ist ein Buch, das unter die Haut geht. Ein besonderes Buch. Surinam erlangte seine Unabhängigkeit übrigens erst 1975. Am 25. November.

Karin Haller