Isaac Blum: Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen

Debutroman einer jungen, jüdischen Erzählstimme

Aus dem Amerikanischen von Gundula Schiffer. Weinheim: Beltz & Gelberg 2023. 224 S., € 15,50. ISBN-13 978-3-407-75721-0

Als Hoodie Anna-Marie auf der Straße tanzen sieht, kann er sich nicht mehr auf den Halacha-Unterricht und jüdisches Recht konzentrieren. Von einem Moment auf den anderen steht sein Leben Kopf. Denn das tanzende Mädchen ist die Tochter der Bürgermeisterin, eine Kleinstadtpolitikerin, die den neu zugezogenen jüdischen Familien nicht gerade wohlgesonnen ist. Außerdem ist Anna-Marie katholisch. Und damit ist einem jungen Mann aus der streng orthodoxen Gemeinde grundsätzlich jeder Kontakt verboten.
„Nichtjüdische Mädchen sollte ich sowieso gar nicht anschauen. Vermutlich gab es auch jüdische Mädchen, die sich so kleideten, aber bestimmt keines von denen, die ich kannte. Und falls sie ein jüdisches Mädchen war, das sich derart kleidete, dann war es mir ebenfalls nicht erlaubt, sie anzuschauen.“

In der Folge wird Hoodie, der Ich-Erzähler in Isaac Blums bemerkenswertem Debut „Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen“, einige Gesetze seines Glaubens brechen – und es gibt viele davon. Hier erfährt man so einiges über jüdische Traditionen, Regeln und Gebräuche, und das ist höchst amüsant zu lesen. Hoodie ist ein pointierter, witziger Sprecher, der sich selbst und seine Umwelt mit viel Selbstironie in den Blick nimmt.

„Dass du in die Tochter der Bürgermeisterin verliebt bist, ist dasselbe, als wärest du …. In Stalins Tochter verliebt“. (…)
„Hatte Stalin überhaupt eine Tochter? Man hört nicht viel----“
„Svetlana. Von seiner zweiten Frau. Sie ist 1926 geboren.“
„Ich würde sie gern stattdessen daten, aber die ist ein bisschen zu alt für mich.“
„Sie ist seit zehn Jahren tot.“
„Exakt.“

 

blum hoodie

Er ist schlagfertig und neugierig, aber eigentlich kein Kämpfer. Er verliebt sich in das Mädchen „von der anderen Mannschaft“, weil es einfach passiert, nicht, weil er rebellieren will. Er fühlt sich ursprünglich geborgen in seiner Gemeinschaft, die ihm Sicherheit und Frieden gibt.
Die Familie mit den zahlreichen Schwestern, allen voran der klugen, mütterlichen Zippy, seine natürlich ebenfalls orthodoxen Freunde, sind Dreh- und Angelpunkt seiner Welt. Zwar ist Hoodie ein grottenschlechter Jeschiwa-Schüler, der kaum Hebräisch lesen kann, doch seinen Glauben stellt er nicht in Frage. Umso schwieriger ist es für ihn, dass die Freundschaft zu Anna-Marie den Ausschluss aus seiner Gemeinschaft bedeutet, Er wird er mit dem Cherem belegt – niemand wird mehr mit ihm sprechen.. Aber er kann auch nicht einfach akzeptieren, dass ihm der Kontakt zu einer Nichtjüdin verboten ist. Er hat „Lust, den ausgetretenen Pfad zu verlassen.“ Und dann nimmt alles plötzlich eine ganz unvorhergesehene, furchtbare Wendung….

In „Hoodie Rosen“ verarbeitet der junge amerikanische Autor den 2019 verübten Terroranschlag auf einen jüdischen Supermarkt in New Jersey, schildert die Entwicklung der Gewaltspirale vom alltäglichen bis zum eskalierenden Antisemitismus, von Hakenkreuz-Schmierereien auf einem jüdischen Friedhof bis hin zum Attentat. Parallel dazu ändert sich auch Hoodies Tonfall. Nach dem Anschlag steht ihm Sarkasmus als Bewältigungsstrategie nicht mehr zur Verfügung.

Was bleibt ist die Frage, wie das Zusammenleben der beiden „Mannschaften“ gelingen kann. Streng voneinander abgeschottet, wie es die orthodoxe Religionsgemeinschaft vorsieht, oder offener, an der jeweils anderen Seite interessiert, bereit, über wechselseitige Vorurteile hinaus zu sehen. „Hoodie Rosen“ lässt keinen Zweifel daran, wie seine Antwort darauf lautet. Dass Studenten der New York University Kurse an der Yeshiva University belegen können und umgekehrt, ist ein Schritt in diese Richtung.

Karin Haller