Walter Kohl: Fuck off, Koff

„Wenn er mit dir redet, da fällt es dir wie Schuppen von den Augen, und es wird dir auf einmal klar, wie scheiße alles ist. Weil keiner mit einem redet.“

Hamburg: Oetinger 2004 | 110 S. | ab 12 Jahren


„Wenn er mit dir redet, da fällt es dir wie Schuppen von den Augen, und es wird dir auf einmal klar, wie scheiße alles ist. Weil keiner mit einem redet.“

In seinem ersten Jugendroman erzählt der aus Linz stammende Autor Walter Kohl von der Schwierigkeit, mit anderen wirklich zu kommunizieren. Diese Sprachlosigkeit und die daraus resultierende existentielle Einsamkeit werden am Beispiel des achtzehnjährigen Franz Koff exekutiert. Eigentlich ein ganz normaler Typ, ein wenig schüchtern, romantisch, klug, sensibel. Mit stiller Wut leidet er unter der Trennung seiner Eltern vor einem halben Jahr, zu seiner Mutter hat er überhaupt keine Beziehung, ihren neuen Freund – der im Laufe des gesamten Buches namenlos bleibt - verabscheut er. Er fühlt sich nirgends zugehörig, redet eigentlich mit niemandem außer seinem Freund Gerd. Dann lernt er Ibbi kennen, ein vierzehnjähriges, empathisches Mädchen, und es scheint zunächst, als ob sie Franz aus seiner Todessehnsucht und seinem unbestimmten Hass auf alles und jeden heraushelfen könnte.

Doch dieser Weg ist ihm versperrt. Als er im Zuge eines eskalierenden Streits mit dem Freund seiner Mutter im Affekt dessen Auto anzündet, beginnt sich die Spirale der Ausweglosigkeit immer schneller zu drehen. Er wird von der Schule suspendiert und vom Abitur ausgeschlossen. Verliert endgültig den Glauben an sich selbst oder an die Möglichkeit, dass irgendetwas Bestand haben könnte – inklusive seiner Beziehung zu Ibbi. Er zieht sich von ihr und seiner gesamten Umwelt zurück, sieht Nirvana Videos, aber keine Perspektiven. Und irgendwann wird aus Andeutungen immer klarer, dass er sich erschießen möchte wie Kurt Cobain. „Allein sein, das ist es. Das bringt´s. Alles vergessen und bloß noch bei sich selber bleiben.“

Walter Kohl schreibt über die Schattenseiten des Lebens. Mit seinem Roman „Ich fühle mich nicht schuldig“ über den Euthanasiearzt Georg Renno erregte er ebenso Aufsehen wie mit seinem Jugendtheaterstück „Ritzen“ über eine junge Selbstverletzerin, das letztes Jahr in Hamburg uraufgeführt wurde.

„Fuck off, Koff“ nähert sich dem Thema jugendlichen Scheiterns aus zwei verschiedenen Perspektiven. Die Ich-Erzählung der Titelfigur wird mit den Tagebucheintragungen seiner Freundin Ibbi verschränkt, beide Textarten treiben das Geschehen mit viel Spannung voran, blenden zurück, verweisen aufeinander, ergänzen sich.

Franz spricht mit dem Leser, als ob er in eine Kamera hineinreden würde. Ibbi – deren Charakterisierung dem Autor besonders gut gelungen ist - schreibt sich ihre Verzweiflung und ihre Angst um den Freund von der Seele. Der sich mehr und mehr in trotziger Abwehrhaltung und Selbstmitleid verkriecht, während sie immer hilfloser wird.

Cover
Auch Ibbi kennt die den Roman dominierende Unmöglichkeit, etwas zu sagen, wahrgenommen zu werden. Ihre Eltern können mit ihr nichts anfangen, sind ratlos und überfordert. Der einzige Mensch, dem sie sich anvertrauen kann, ist ihre Oma im Altersheim, die zunächst ganz bewußt außer unverständlichem Gebrabbel nichts von sich gibt. Also die Sprachverweigerung an die Spitze treibt, „weil es sich ohnehin nicht lohnt, etwas zu sagen“.

Ibbis Großmutter ist es auch, die ein anderes Postulat dieses Buches aufstellt: „Man kann nichts machen.“ Nein, man kann nichts machen. Franz schießt sich in den Mund und überlebt durch puren Zufall.

Dann, im Krankenhaus, ist er irgendwie doch ziemlich froh, dass es nicht geklappt hat. Kann auch Ibbi wieder emotional an sich heranlassen. So, als ob der Leidensdruck mit einem Knall entwichen wäre.

Fazit: Der Schlüssel zur positiven Wendung liegt in der Überwindung der Sprachlosigkeit, in der Fähigkeit, Nähe zuzulassen.. Und wenn du es nicht schaffst, gibt es immerhin auch noch die Möglichkeit, dass du einfach nur Glück hast. Hoffentlich.

Karin Haller