John Green: Eine wie Alaska

Oft ist es ein einziger Tag, der ein Leben prägt. An dem sich alles ändert, nach dem nichts mehr ist, wie es vorher war.

Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz
München: Hanser 2007


Oft ist es ein einziger Tag, der ein Leben prägt. An dem sich alles ändert, nach dem nichts mehr ist, wie es vorher war. In John Greens erstem Jugendroman „Eine wie Alaska“ erlebt Miles so einen Tag. Es ist der Tag, an dem Alaska stirbt.

Alles beginnt mit seiner Entscheidung, dem Highschool – Mief Floridas und dem elterlichen Schutzraum zu entkommen, auf der Suche nach dem „großen Vielleicht“. Nach Alabama zu gehen, ins Culver Creek Internat. Schon bei der ersten Begegnung mit dem Colonel, mit dem er das Zimmer teilt, wird Miles klar, dass eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Der Colonel repräsentiert eine unaufgesetzte Coolness, die auf hoher Intelligenz, reflektiertem Witz und einer ordentlichen Portion „Scheiß drauf“ basieren. Und er stellt Miles Alaska vor.

Das Mädchen, das anders ist als alle anderen. An ihr ist nichts sicher, alles doppelbödig. Schnoddrig und traurig, abgebrüht und kindlich, draufgängerisch und sensibel, ist sie wie ein undurchsichtiges Kaleidoskop, das alles verspricht und nichts zusagt. Miles verliebt sich so gnaden- wie aussichtslos. Die Beziehung zwischen den beiden wird zwar immer enger, bleibt aber freundschaftlich. Bis sie ihn, ganz zum Schluss, küsst. Um dann betrunken in ihr Auto zu steigen und zu sterben.

Einhundertsechsunddreißig Tage davor beginnt die Geschichte, zählt wie bei einem Countdown, dessen Bedeutung man noch nicht kennt, die Tage bis zu diesem Brennpunkt herunter, um danach wieder einhundertsechsunddreißig Tage lang weitergeführt zu werden. Der Wunsch, hinter das Geheimnis „Alaska“ zu kommen, die Frage, ob ihr Tod Selbstmord oder Unfall war, wird Miles und den Colonel nicht mehr loslassen. Und ungeklärt bleiben. „Looking for Alaska“ lautet der Originaltitel. So vorsichtig man mit Vergleichen und großen Namen sein sollte – dass dieses Buch in Kritiken in einem Atemzug mit Salingers „Catcher in a Rye“ genannt wird, erstaunt nicht.

Cover
Es ist schnell, ohne oberflächlich zu sein, sehr komisch und sehr traurig. Mit hintergründigem Witz, scharf gezeichneten Charakteren und dichten Situationsbeschreibungen zieht Green den Leser in seine Geschichte hinein. Definiert das Genre „Internatsgeschichte“ neu. Seine Figuren sind außergewöhnlich, obwohl sie eigentlich ganz normal sind. Der Colonel, Alaska, und in ihrem Windschatten der Ich - Erzähler Miles, sie sind alles andere als Duckmäuser. Nicht nur, dass bis zum Umfallen geraucht und getrunken wird. Auch in den bis ins Detail geplanten Aktionen - wie der Einladung eines Strippers als Festredner – werden die Regeln des Internats subversiv - phantasievoll unterwandert.

Diese Jugendlichen brechen Regeln, die sie in ihren Grundzügen akzeptieren, haben durchaus das Ziel eines guten Schulerfolges, sind hochintelligent und enorm belesen. Alaskas Zimmer ist mit den Beständen einer mittleren Gemeindebibliothek vollgestopft, der Colonel lenkt sich am besten mit dem Lernen geographischer Fakten ab, Miles hat eine Schwäche für die letzten Worte berühmter Persönlichkeiten. In dieser Gemeinschaft zählen nicht Äußerlichkeiten – der Colonel ist genauso klein wie Miles schmalbrüstig – sondern Geist, Phantasie und ein klar definierter Ehrenkodex. Für den Colonel etwa ist Verrat das schlimmste Vergehen überhaupt. Dass es ausgerechnet Alaska ist, die sich dieses Vergehens schuldig macht, um ihre eigene Haut zu retten, ist nur eine der Facetten dieser schillernden Figur.

„Eine wie Alaska“ ist voll mit faszinierenden Charakteren, schnellen Dialogen, romantischen und actionreichen Szenen. Kein Wunder, dass die Filmrechte bereits an Paramount vergeben wurden. Darauf braucht man nicht zu warten. Das Buch schafft es ganz ohne Kino, Bilder im Kopf entstehen zu lassen, die dort länger bleiben, als man fürs Lesen braucht.

Karin Haller