John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Wenn man sich verliebt, träumt man bisweilen davon, ein ganzes Leben miteinander zu verbringen, unendlich viel Zeit zusammen zu haben. Dass diese Unendlichkeit für sie sehr begrenzt ist, wissen Hazel und Gus in John Greens neuem Jugendroman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von Anfang an. Sie haben beide Krebs.

Übersetzt von Sophie Zeitz
München: Hanser 2012


Wenn man sich verliebt, träumt man bisweilen davon, ein ganzes Leben miteinander zu verbringen, unendlich viel Zeit zusammen zu haben. Dass diese Unendlichkeit für sie sehr begrenzt ist, wissen Hazel und Gus in John Greens neuem Jugendroman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von Anfang an. Sie haben beide Krebs.

Schon bei ihrer ersten Begegnung in einer Selbsthilfegruppe für Jugendliche spüren sie die gegenseitige Attraktion, das unausgesprochene Verständnis zwischen sich. Sie haben eine ähnliche Art, die Dinge zu sehen, können in Kürzeln miteinander kommunizieren. Sowohl Hazel als auch Gus sind – zumindest aus der Perspektive ihrer Umwelt – „eigenartig“, ihre verbale Ausdrucksfähigkeit ist herausragend und ungewöhnlich. Mit Selbstverständlichkeit verbinden sie in ihren Vorlieben Trash und Hochkultur – Hazel liest anspruchsvolle Literatur und begeistert sich für „Americas Next Topmodel“, Augustus interessiert sich für Museen und spielt mit Leidenschaft Ego-Shooter Games. So gesehen sind sie „ganz normale Jugendliche“, und doch sind sie es natürlich nicht. Wie auch, wenn man ständig einen Rollwagen mit einem Sauerstoffgerät hinter sich herzieht und nachts am Beatmungsgerät hängt wie Hazel oder eine Beinprothese hat wie Gus. Selbstmitleid ist ihnen jedoch fremd – jahrelanges Leiden und Leben mit der Krankheit hat sie abgehärtet. Ihr Umgang mit dem Krebs, dem eigenen und dem der anderen, ist stoisch, zynisch und illusionslos. Als ihr Freund Isaac sein zweites Auge verliert, spielt sich die Begegnung nach der Operation so ab: „Hallo Hazel. Wie geht’s so?“ „Gut. Seit du blind bist, bin ich extrem schön geworden.“

Doch Green begeht nicht den Fehler, das Thema zu verkaspern. Schmerzen, Verzweiflung, Angst – da lässt der Autor nichts zwischen den Zeilen, da wird nichts weichgezeichnet. Hazel weiß, dass ihr Tumorwachstum zwar im Augenblick medikamentös gestoppt ist, ihre Lunge aber immer öfter drainert werden muss und es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie es nicht mehr schafft. Und als bei Gus, der zu Beginn des Buches geheilt schien, überall im Körper Metastasen wuchern, wissen sie beide, dass er es sein wird, der zuerst stirbt.

Der Plot weist in Richtung „Krebsbuch“, und davon gab es in der Jugendliteratur ja in den letzten Jahren einige, und doch trifft dieses Label – das im Text selbst mit „Krebsbücher sind doof“ kommentiert wird – nicht.
Vor allem anderen ist es die Geschichte von zwei „lädierten“ jungen Menschen, die die Liebe ihres Lebens gefunden haben – und keine Chance haben, diese länger zu leben als nur ein paar Monate. Nicht aus eigenem Verschulden, sondern weil das Schicksal mies und ein Verräter ist: die Schuld der Sterne. Der Originaltitel lautet „The Fault in Our Stars“, die Umkehrung eines Shakespeare-Zitates.

Cover
Eine Zeitlang scheint es so, als würde das Schicksal mal Pause machen. Hazel und Gus verbringen viel Zeit miteinander, reisen sogar gemeinsam nach Amsterdam, um den Autor von Hazel´s Lieblingsbuch zu treffen – der sich als fieser Säufer herausstellt. Doch dann ist der Krebs in Gus nicht mehr aufzuhalten, kann Hazel ihren Freund nur noch durch ein entwürdigendes Sterben begleiten. Die Frage, ob irgendein Sinn in diesem Leiden liegt, beantwortet der Text mit „nein“. So wie er sich öfter über gängige Mutmach-Parolen und klischeehafte Esoterik-Schlagworte lustig macht. „Immerhin hängt bei uns zu Hause ein Schild über dem Klo, auf dem in Schönschrift steht: „Bade täglich im Trost von Gottes Wort.“ „Klingt nicht sehr hygienisch“, sagte ich.“

Und doch. Bei aller Verzweiflung – beide fühlen sich privilegiert, eine Liebe wie die ihre erlebt zu haben. Sie hätten sich keinen anderen Partner ausgesucht, bei allen Schmerzen und Verletzungen, die er bedeutet. Bei Hazel wie bei Gus steht ja nicht das eigene Leid im Focus ihres Denkens und Fühlens, sondern das Leid derjenigen, die sie lieben, der Eltern, die ihr Leben ganz und gar ihren kranken Kindern widmen. „Ich bin eine Bombe.“ sagt Hazel an einer Stelle. „weil ich nichts dagegen machen kann, dass ich euch mit ins Unglück reiße.“

Es ist die gelungene Parallelität von Tragik und Komik, die John Greens Romane generell auszeichnet, sein Feingefühl, mit dem er Gefühl von Gefühlsduselei und Witz von Klamauk zu trennen vermag. In Amerika ist Green so etwas wie ein Star, „The Fault in Our Stars“ war schon vor Erscheinen ein Bestseller, führte monatelang die Jugendbuchliste der New York Times an. Es wäre zu wünschen, dass dem Buch hier in Österreich ein ähnliches Schicksal beschieden ist – und wenn nicht, ist es sicher nicht die Schuld der Sterne.

Karin Haller