Wer hat Angst vor dem Licht?

Auf dem Vorsatz scheint die Sonne auf einem zarthellblauen Himmel über dem ruhigen tiefblauen Meer, in dem ein paar Quallen mit leuchtend magentafarbenen Tentakeln schweben und auf dem sich zwei Möwen treiben lassen: Die eine cool mit Sonnenbrille, die andere macht klar, dass dort, wo diese Geschichte spielt, Sonnenschutz unnötig ist, weil kein Fitzelchen Licht mehr hinkommt. Zwar wimmelt es tief unten im Meer von Leben, heißt es im Text, zu sehen bekommt man davon aber nicht so viel. Auf tiefschwarzen Doppelseiten inszeniert die australische Erzählerin Anna McGregor einen gewitzten Dialog zwischen den Leser:innen und Rufus. Ohne von sich selbst mehr als zwei freche Augen, einen Lachmund und eine kleine Flosse zu zeigen, stellt der geheimnisvolle Tiefseebewohner auf den folgenden Seiten einen Anglerfisch, einen Gespensterfisch und zwei Vampirtintenfische vor.

Die vier Fische leuchten – wie der Dialogtext von Rufus – in bunten Farben auf dem schwarzen Papier, dass es eine Freude ist, auch wenn die Tiere schon ein bisschen gruselig aussehen. Gut, dass wir so einen lieben Rufus als Führer durch die feuchte Unterwelt haben, oder? Zwar werden auf der letzten Doppelseite »für Schlauköpfe!« ein paar wenige Informationen über die Tiefsee und die Fähigkeiten jener Wesen präsentiert, die dort leben, aber das macht »Wer hat Angst vor dem Licht«, das Michael Stavarič übersetzt hat, natürlich nicht zum Sachbuch. Am Ende wird klar, dass dieses Bilderbuch eine Art Witz ist, wobei der Humor die Farbe des Papiers hat, auf dem die leuchtendbunten Tiefseeungeheuer präsentiert werden. Aber nein, Angst muss man keine haben. Auch weil nach dem Lesen, wenn das Licht ausgeht, der Titel des Buches auf dem Cover noch eine Zeit lang nachleuchtet.

Franz Lettner

Anna McGregor: Wer hat Angst vor dem Licht?

Anna McGregor: Wer hat Angst vor dem Licht?

Aus dem Englischen von Michael Stavarič
Graz/Wien/Berlin: Leykam 2024, 32 S., € 20,50, ab 4 Jahren

Dieser Buchtipp erschien zuerst in "1001 Buch"