Fürs Leben zu lang

»Fürs Leben zu lang« ist ein Tagebuchroman über das Leiden eines Mädchens an ihrer Körpergröße. Verfasserin dieser – entgegen der Genre-Konventionen – nicht ganz so persönlichen Niederschrift ist die 13-jährige Magali, die nicht über sich, sondern von allen anderen schreiben will. Grund dafür: In ihrem Leben passiert nichts Erzählenswertes. Also bringt sie ihre Gedanken über jene Menschen zu Papier, die allesamt unter dem Dach jenes Mehrfamilienhauses wohnen, in dem auch Magali mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester Malve lebt. In den zwei Wochen erzählte Zeit – es sind Oster­ferien – verlässt Magali das Haus fast ausschließlich, um mit dem geliebten Nachbarshund, einem Husky, spazieren zu gehen. Nur mit ihm fühlt sie sich wohl.

Nach und nach erschließen sich der Leserin die Sorgen des Mädchens, das sich nicht nur von ihrer Familie nicht wahr- und ernst genommen fühlt. Schuld daran – an allem eigentlich – ist ihre Zielgröße, meint sie, die zwischen 1,89 und 1,92 geschätzt wird. Erst als ein neuer Protagonist ins Spiel kommt, verändert sich etwas: Kieran besucht seinen Großvater, den 98-jährigen Herrn Krekeler, der ebenfalls im Haus wohnt und seiner Familie mitgeteilt hat, dass er sterben wird. Jetzt gibt auch Magali ihre Beobachterrolle auf und wird Teil der Geschichte. Gemeinsam mit Kieran und anderen Hausbewohnern verbringt sie die letzten Tage mit dem alten Mann, der ihnen zeigt, wie sterben geht. Dabei erfahren die beiden jugendlichen Protagonist*innen auch einiges darüber, wie leben geht. Als dann noch Magalis sonst eher wortkarger Vater die schönen Worte spricht: »Du bist ein gesundes, kluges, schönes Mädchen. Wir wollten dich nie anders haben.«, ist der Umschwung geschafft. Mit neu entdecktem Selbstbewusstsein beendet Magali ihr erstes Tagebuch. Mit dem Entschluss weiter zu schreiben, denn: »Wenn es das richtige Leben nur von Tag zu Tag gibt, dann ist ein Tagebuch vielleicht ein Anfang.«

Franz Lettner

huppertz leben

Nikola Huppertz: Fürs Leben zu lang

Tulipan 2023, 160 S. | € 16,50 | ab 12 Jahren

Dieser Buchtipp erschien zuerst in "1001 Buch"