Firekeeper’s Daughter

Eingekeilt zwischen zwei kulturellen Welten bekommt die 18-jährige Daunis Fontaine nicht selten das Schlechteste von beiden zu spüren. Ihr Vater war ein Eishockeystar aus dem Sugar Island Ojibwe-Reservat, dessen Karriere und Leben nach einem Unfall zerstört waren. Ihre Mutter stammt aus einer der einflussreichsten französisch-stämmigen Familien von Sault Ste. Marie, die versucht die indigene Seite des Mädchens – und den »Ausrutscher« deren Mutter – weitestgehend zu ignorieren. Auch wenn Daunis kein eingetragenes Stammesmitglied ist, ist sie ihrer Anishinaabe-Familie, deren Philosophie und Tradition nicht weniger eng verbunden als ihrer weißen Fontaine-Großmutter. In der Darstellung des grundsätzlichen Konflikts zwischen den beiden Kulturen, der sich im familiären Umfeld der Pro­tagonistin ebenso wuchtig manifestiert wie in der Gesellschaft der Kleinstadt in Michigan am Oberen See an der Grenze zu Kanada, liegt die zentrale Stärke von »Firekeeper’s Daughter«. Die Frage der Zugehörigkeit wird auch in Bezug auf die zentrale Liebesgeschichte und die Spannungsdramaturgie des Krimiplots wirksam, was naheliegend ist und gut.

Angeline Boulley, selbst registriertes Mitglied des Sault Ste. Marie Tribes der Chippewa Indians, gelingt es, in ihrem Erzählen über Native Americans der Gegenwart weder romantisierend noch pädagogisch zu werden, vor allem ihre Darstellung der selbstverständlichen kulturellen Praxis ihrer Protagonistin sorgt während der Lektüre durchgehend für eine anhaltende Fremdheitserfahrung (wofür jedenfalls auch die gelungene Übersetzung von Claudia Max verantwortlich ist). Dass die Autorin den Rassismus und die Aggression der weißen amerikanischen Mehrheitsgesellschaft ebenso wie die (oft sexualisierte) Gewalt, der indigene Frauen in so unverhältnismäßig hohem Ausmaß ausgesetzt sind, als strukturelles Problem zeigt, ist ihr hoch anzurechnen, wenngleich es schwer zu ertragen ist.
Auch wenn dem umfangreichen Roman eine Kürzung und Straffung hier und da gut getan hätten (bisweilen hat man den Eindruck, die Autorin traut ihren Leser*innen nicht und paraphrasiert wichtige Passagen) und die Protagonistin vielleicht ein Spur zu makellos durch ihre Geschichte kommt, ist »Firekeeper’s Daughter« eine spannende und lohnende Lektüre.

Franz Lettner

 

Angeline Boulley: Firekeeper’s Daughter

Angeline Boulley: Firekeeper’s Daughter

Aus dem amerikanischen Englisch von Claudia Max
560 S., € 20,60, ab 14 Jahren

Dieser Buchtipp erschien zuerst in "1001 Buch"